Es gibt viele Verwendungen für Raffungen: Du kannst beispielsweise schicke geraffte Ärmel oder Ausschnitte nähen oder mit Hilfe eines gerüschten Stoffstreifens ein T-Shirt zum Kleid verlängern. Dabei stellt sich die Frage, wie viel Stoff du beim Raffen benötigst. In vielen Anleitungen steht, dass man den Stoff um einen Faktor 2 raffen soll, also dass der Stoff doppelt so breit zugeschnitten wird, wie die gewünschte Breite des Kleidungsstücks. Aber ganz so einfach ist es leider nicht immer.
Vor einer Weile habe ich gelesen, dass die Menge an Stoff, die beim Kräuseln benötigt wird, von der Dicke des Stoffes abhängt. Bei leichten Stoffen brauchst du mehr Breite, dicke Stoffe werden weniger gerafft.
Was für manche Nähprofis vielleicht kalter Kaffee ist, hat mir die Augen geöffnet und ich habe es als Anlass genommen, diese Anleitung zu schreiben. Dabei gibt es eine ausführlich Foto-Anleitung für gleich vier Möglichkeiten des Raffens: mit der Nähmaschine, mit Framilonband/Framilastic, mit Gummiband und mit einem Schrägband-Tunnel. So bist du für alle Kräusel-Gelegenheiten bestens gerüstet! 🙂
Wie viel Stoff beim Kräuseln?
Das Prinzip des Raffens bzw. Kräuselns ist ja, den Stoff breiter zuzuschneiden als die gewünschte Endlänge. Diese zusätzliche Breite wird zusammengezogen und das gibt die gerüschte Optik.
Wie breit du den Stoff zuschneidest und um welchen Faktor du den Stoff raffst, hängt von zwei Fragen ab: Wie dick ist der Stoff und wie viel Volumen soll die Raffung haben? Je dicker der Stoff ist, und je mehr Stand er hat, desto weniger stark wird er gerafft. Ganz feine Stoffe werden viel stärker gerafft, da sie sonst zu sehr in sich zusammenfallen.
Hier ist eine Tabelle, die du als Richtlinie nehmen kannst, sie ist vom Buch Pattern Cutting* von Dennic Chunman Lo inspiriert (als Amazon-Partner verdiene ich an qualifizierten Käufen).
So viel Stoff benötigst zu beim Kräuseln
Beispiele | Raffungs-Fakor | |
Schwere Stoffe | Dicker Wollstoff, Sweat, Romanit-Jersey | 1,5x |
Mittelschwere Stoffe | Popeline, Blusenstoffe, Single Jersey | 2x |
Leichte Stoffe | (Seiden-)Chiffon, weicher Tüll | 3-4x |
Am Beispiel eines gerafften Rocks
Hier ist ein Beispiel zum Effekt von unterschiedlich starker Raffung. Bei diesem Baumwoll-Rock habe ich eine Webware mit relativ viel Stand verwendet.
Zuerst habe ich den Stoff doppelt so breit zugeschnitten, wie die gewünschte Endweite. Der Hüftumfang meines Models beträgt 60 cm, also habe ich einen Stoffstreifen von 120 cm zugeschnitten. So sieht das Endergebnis aus, der Rock ist recht voluminös:
Hier ist der gleiche Rock mit einer Raffung von1,5 statt 2 (das heißt, der Baumwollstoff war 90 cm breit). Er hat weniger Falten und fällt stärker nach unten.
Beide Röcke haben ihren Charme und es ist Geschmackssache, wie viel Stoff man hier beim Kräuseln verwenden möchte.
Anleitung: Stoffe raffen einfach gemacht
Es gibt mehrere Arten, den Stoff zu raffen. Du kannst den Stoff mit einem langen Gradstich der Nähmaschine kräuseln und dann von Hand raffen. Der Vorteil dieser Methode ist, dass sie ganz ohne zusätzliches Material auskommt. Die Raffung ist nicht dehnbar und ist zum Beispiel geeignet um einen Rock zu raffen, der an ein Bündchen genäht wird.
Wenn die Raffung dauerhaft dehnbar bleiben soll, kannst du Framilonband oder Gummifaden verwenden. So werden die Falten auch besonders gleichmäßig und fein.
Du kannst das Gummiband auch in einen Tunnel aus Schrägband einziehen. Das sieht zum Beispiel bei einem Halsausschnitt besonders professionell aus, ist aber auch etwas aufwändiger zu nähen.
Klassisches Kräuseln mit der Nähmaschine
Traditionell wird zum Beispiel ein Rock mit der Nähmaschine gerafft, indem du nah an der Kante eine gerade Naht mit möglichst großer Stichlänge steppst (die größte Stichlänge an meiner Maschine ist 4,5 mm). Du sicherst die Naht nur auf einer Seite, an der anderen Seite lässt du die Fäden einfach einige Zentimeter überstehen.
Dann ziehst du an einem der beiden ungesicherten Fäden und schiebst den Stoff wie auf einer Gardinenstange zusammen. Durch die große Stichlänge geht das ziemlich einfach. Dabei ist es egal, ob du am Oberfaden oder Unterfaden ziehst.
Nun schiebst du die Falten nach links und verteilst so die Kräuselung gleichmäßig über die gesamte Stoffbreite. Den Rock kannst du als Nächstes mit einem elastischen Stich an das Bündchen nähen.
Am Ende entfernst du den Faden, der zum Raffen verwendet wurde:
Raffen mit Framilon-Band
Framilonband ist ein dünnes, durchsichtiges Band aus Polyurethan, das sehr dehnbar ist und direkt auf der Haut getragen werden kann. Es hat eine deutlich größere Rückstellkraft als die meisten normalen Gummibänder und dadurch leiert die Raffung kaum aus.
Hier zeige ich das Vorgehen am Beispiel eines gerafften Ausschnitts.
Als erstes schneidest du das Framilonband auf die Länge, die der Ausschnitt haben soll. Das ist natürlich kürzer als der Stoff, der gerafft werden soll. Du schließt das Band mit ein paar Stichen zum Kreis. Achte dabei darauf, dass du das Band nicht verdrehst. Diese Naht muss nicht gut halten, sondern hilft dir nur dabei, das Band gleich richtig an den Ausschnitt zu platzieren.
Das Band nähst du jetzt ungedehnt mit ein paar Stichen an der rückwärtigen Mitte des Ausschnittes an, damit es am Stoff gut hält.
Nun steckst du das Band gleichmäßig an drei (oder mehr) Stellen an den Ausschnitt fest. Dabei fängst du mit der gegenüberliegenden Seite das Bandes an und steckst es an die vordere Mitte des Halsausschnitts. Als nächstes ziehst du das Framilonband auf die Länge des Stoffes, greifst Stoff und Gummiband an der Schulter und steckst dort beides zusammen.
Das Band dehnst du so weit, dass es glatt liegt (es reißt nicht, auch wenn es sich so anfühlt) und nähst es fest. Im gedehnten Zustand ist das Framilonband recht dünn und je nach Stofffarbe und Licht siehst du nicht immer, ob du auf dem Band nähst. Allerdings kannst du deutlich hören, wenn du richtig nähst und die Nadel das Framilastic durchstößt.
Naht sichern: Da es nicht so einfach ist, auf dem Framilonband vor und zurück zu nähen, kannst du die Naht entweder auf der Stelle sichern (wenn deine Nähmaschine das kann) oder du lässt die Fäden etwas länger überstehen und verknotest sie von Hand.
So sieht der Ausschnitt dann aus. Der Stoff ist durch das Gummi sehr gleichmäßig und fein gerafft.
Hier seht ihr den Jumpsuit Juno mit gerafftem Ausschnitt in Aktion. Dadurch dass der Ausschnitt so gut dehnbar ist, kann die Maus problemlos von oben in den Einteiler einsteigen.
Raffen mit Gummiband
Das Raffen mit einem Gummiband geht ganz ähnlich wie mit Framilonband. Ich zeige es hier am Beispiel eines Tüll-Rocks, den ich der Maus zu Halloween als Teil ihres Kürbis-Kostüms genäht habe. Dazu habe ich einen feinen Tüll-Stoff zweimal der Länge nach gefaltet und in vierfacher Lage verarbeitet.
Als erstes schließt du wieder das Gummi mit einem engen Zickzackstich zu einem Ring. Dabei ist es wichtig, das Band nicht in sich zu verdrehen.
Nun steckst du das Gummiband gleichmäßig kurz unter der Kante des Rocks fest und nähst es mit einem normal Zickzackstich an. Eventuell kannst du die Stichbreite noch etwas breiter einstellen.
Gefühlt ist das Kräuseln mit Gummiband etwas einfacher als mit Framilon, aber das Gummi wird beim Annähen relativ leicht gedehnt. Tatsächlich wurde dieser Rock etwas zu weit und ich habe ihn mit zwei Sicherheitsnadeln am Oberteil befestigt.
Daher schneide ich mittlerweile zur Sicherheit immer das Elastikband immer etwas kürzer zu als die gewünschte Endlänge, vor allem, wenn das Gummi leicht dehnbar ist.
Der orange Tüll war übrigens mal ein Vorhang, den ich für wenig Geld in einem Second-Hand-Shop erstanden habe. Als ich ihne gesehen habe, war mir gleich klar, was daraus werden soll, denn ich hatte noch kein kleinkind-taugliches Halloween-Kostüm. Denn ich finde, dass kleine Kinder noch nicht besonders gruselig aussehen müssen, aber ein Kürbis-Kostüm finde ich total niedlich! 🙂
Raffung Gummi im Tunnelzug
Du kannst zum Raffen auch ein Gummiband in einem Tunnelzug oder wie hier im Inneren eines Schrägbands einziehen. Das ist etwas aufwändiger zu nähen, sieht aber ordentlicher aus und bietet sich immer dann an, wenn man die Raffung später sieht, also zum Beispiel an einem Halsausschnitt. Ein weiterer Vorteil dieser Technik ist es, dass du nicht auf dem Gummi nähst. Damit ist die Wahrscheinlichkeit kleiner, dass die Kräuselung beim Nähen ausleiert.
Neben dem Gummiband benötigst du hier noch ein Schrägband, das etwa 1 cm länger ist als der ungedehnte Ausschnitt.
Die obere Kante des Schrägbandes wird ca. 5 mm unterhalb des Saums angesteckt. Das Ende des Schrägbandes faltest du nun einmal um, damit die Kante später schön sauber aussieht.
Du nähst erstmal nur die obere Kante des Schrägbandes fest, die untere Kante bleibt offen.
Nun schließt du das Gummiband mit einem Zickzackstich zu einem Ring.
Dann legst du das Gummiband unter das Schrägband und nähst die untere Kante des Schrägbands ohne auf dem Gummiband zu nähen.
Beim Nähen ziehst du das Gummi immer so, dass du das Webband gut nähen kannst.
So sieht der Ausschnitt fertig aus. Ich finde ja, dass der Ausschnitt mit dem farblich passenden Band außerordentlich gut aussieht.
Auch, wenn man das Schrägband im angezogenen Zustand natürlich nicht sieht. 🙂
Wenn du kein fertiges Webband zur Hand hast, kannst du es auch ganz einfach selber herstellen: Anleitung: Schrägband selber machen
So, jetzt hoffe ich, dass alle Fragen zum Raffen von Stoffen beantwortet sind! Wenn doch etwas unklar geblieben ist, dann schreibe mir, entweder hier in den Kommentaren oder per Mail.
Viele liebe Grüße und viel Spaß beim Nähen!
Cailin
Gabriele Kuhnt meint
Kräuseln mit der Nähmaschine: ich kann mit meiner Maschine Stichlänge 6 einstellen und nähe neben die erste Reihe füsschenbreit eine zweite. Ziehe gleichzeitig an beiden Z.B. Oberfäden, dann kann ich zwischen den beiden Reihen den Bund annähen ohne dass sich etwas verschiebt.
cailin meint
Danke für den Tipp!
Anni Hahn meint
Hallo, beim Raffen mit der Nähmaschine nähe ich zwei Nähte parallel mit großen Stichen und ziehe dann gleichzeitig an den Unterfäden, danach kann man ganz bequem zwischen den beiden Nähten das geraffte Teil annähen(So hat mir ´s meine Mama beigebracht)
Liebe Grüße
Anni
cailin meint
Hallo Anni,
danke für den Kommentar! Man sieht immer wieder die Anweisung, zwei Nähte zu setzen und ich habe mich schon gefragt, wieso. 🙂
Viele liebe Grüße,
Cailin
Conny meint
Danke für die nützlichen Tipps.
cailin meint
Bitte, gern geschehen! 🙂
ute meint
Mir hat der Tipp mit dem ZickZackStich sehr weitergeholfen. Merci.
Christa Oppel meint
Vielen Dank für Deine ausführliche Erklärung. Ich werde die vier Methoden alle einmal ausprobieren, und würde mich über weitere Texte von Dir freuen. Alles Gute!
Christa